Der Mensch schafft sich seine Welt
Über den Anspruch und die Möglichkeiten von Physik und Religion – Ein Beispiel zur physikalischen Methodik: Von der Symmetrie zur Energie. Ein Vortrag von Prof. Karl-Heinz Anthony am Evangelischen Gymnasium Lippstadt.
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23.03.2009 von 19:00 bis 20:00 |
Wo | Evangelisches Gymnasium Lippstadt |
Name | Ronald Schünecke |
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Mit dem Aufkommen der neuzeitlichen Naturwissenschaft, vor allem der Physik, auf die ich mich in diesem Vortrag beschränken will, ist es im Abendland zunehmend zu einer Entfremdung zwischen physikalischem und religiösem Weltbild gekommen. Davor hatten die Menschen eine einheitliche, religiös-profane Weltsicht. Das Diesseits war vollkommen in eine göttliche Welt eingebettet. Seit der Kopernikanischen Wende (1543) und bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts war die Physik ausschließlich auf einen strengen Determinismus aller physikalischen Vorgänge festgelegt. Es kam dadurch – und kommt auch heute noch –zu einer unglücklichen und – wie wir heute wissen könnten – zu einer unnötigen Konkurrenz zwischen der physikalischen und der religiösen Weltsicht: Der "Glaube" fängt dort an, wo das "Wissen" aufhört – und umgekehrt. Das ist eine landläufige Meinung. Im Ergebnis ist die Grenze zwischen beiden Weltsichten aufgrund einer ständig wachsenden physikalischen Erkenntnis zu Ungunsten der Religion stetig verschoben worden.
Mit dem Aufkommen der Quantentheorie ist seit Beginn des 20. Jahrhunderts das deterministische Weltbild der Physik scheinbar ins Wanken geraten. Es gibt seither geistige Strömungen wieder zurück zu einem deutlich religiöser gefärbten Weltbild. Diese Bemühungen kommen sowohl aus der Theologie als auch aus der Physik. Sie sind aber allesamt Ergebnis von Begriffsverwirrungen aufgrund von nur oberflächlich verarbeitetem, physikalischem Wissen und von methodisch nicht vertretbaren Bereichsüberschreitungen in der Theologie und in der Physik.
Seit etwa der Mitte des vorigen Jahrhunderts ist es mit der Chaostheorie zu einem erneuten Schub in dieser Richtung gekommen. In Theologenkreisen kann man folgende Meinung antreffen: "Nachdem die Physik im Rahmen der Chaostheorie einen strengen Determinismus in überwiegenden Bereichen der Natur aufgegeben hat, wären mit den Methoden der Physik in der Natur Nischen sichtbar geworden, in denen ein spontanes göttliches Wirken im Sinne des traditionellen Wunderglaubens denkbar wäre." Eine Verkennung der physikalischen Methodik steigert sich zuweilen bis zur Anmaßung. Man vergisst dabei, dass von einem deterministischen Chaos die Rede ist und dass die traditionelle physikalische Methodik unverändert durchgehalten und der Determinismus nur bei oberflächlicher Sicht scheinbar aufgeben wird.
Ausgehend von alten Weltbildern soll den Hörerinnen und Hörern deutlich werden, warum es heute keine Vereinheitlichung von physikalischem und religiösem Weltbild mehr geben kann. Beide Weltsichten berühren verschiedene Lebensbereiche. Der Mensch schafft sich seine Welt! Das gilt für seinen religiös-theologischen Lebensbereich genauso wie für den physikalischen, d.h. physischen Lebensbereich. Die daraus vielleicht entstehenden Spannungen muss er aushalten.
Ausführlich wird gezeigt, was eine physikalische Theorie ist, auch anhand konkreter Beispiele. Entlang des Weges vom Symmetriebegriff zum Energiebegriff wird die Methodik der Physik an einem Beispiel vorgeführt. Es wird gezeigt, dass die Energie keine ontologische ("seiende") Wesenheit der Natur ist sondern ein methodisch begründeter Begriff mit einem ontologischen Rest in einer von den Zuhörern wahrscheinlich nicht erwarteten Ecke.
Das Thema wird anschaulich anhand von Bildern entfaltet. Mathematische und physikalische Vorkenntnisse werden nicht vorausgesetzt. Von den Zuhörern wird jedoch ein konzentriertes Mitgehen durch komplexe Gedankengänge erwartet.
Anschrift
Evangelisches Gymnasium Lippstadt
Beckumer Str. 61
59555 Lippstadt